Monatsspruch für September:
Bin ich nur ein Gott, der nahe ist,
spricht der Herr,
und nicht auch ein Gott, der ferne ist? (Jeremia 23,23)
Liebe Gemeinde,
diese Verse lassen erahnen auf welchem Hintergrund sie gesprochen sind: Sie nehmen Grundbedürfnisse des glaubenden Menschen auf: Gott, ich möchte dich nahe wissen, spüren, dass du da bist und mich trägst. Auch in stürmischen Zeiten meines Lebens, wo du mir fern zu sein scheinst, suche ich nach Gewissheit deiner Zuwendung. „Verbirg dein Antlitz nicht vor mir in der Not, neige deine Ohren zu mir, wenn ich dich anrufe, so erhöre mich bald!“, so ruft der betende Mensch in Psalm 102,2 und sagt damit: Überwinde die Gottferne in meinem Leben!
Der Deus absconditus, der verborgene Gott, war für Martin Luther genauso präsent wie der Deus revelatus, der offenbare Gott. Luther hat nicht umsonst die Psalmen und die Propheten studiert. Er hat erkannt: Sie alle kennen dieses schmerzliche Vermissen und halten doch an Gott fest.
Mir hilft es, dass im Monatsspruch für September deutlich wird: Gott kündigt an, was wir von ihm zu erwarten haben: „Ich bin ein Gott, der nah ist und der fern ist!“ Beides gehört zum Wesen und zum Geheimnis Gottes. Der Prophet Jeremia warnt in unserem erweiterten Textabschnitt davor, zu meinen, wir könnten genau Bescheid wissen über den Willen Gottes. Vorsicht: Da können auch falsche Propheten auftreten! (Jeremia 23,9 ff.)
Mögen wir diese Selbstbekundung Gottes mit hineinnehmen in die kommenden Monate. Bald schon werden wir uns vom Sommer verabschieden und die dunklen Monate in unser Herz lassen müssen. Wer persönlichen Kummer hat, gar trauert, braucht die Zuwendung anderer Menschen und die Hinwendung Gottes. Der barmherzige Vater erscheint uns manchmal nah und dann wieder sehr entfernt und wir fragen, wo ist er eigentlich?
Den 1878 in Wien geborenen jüdischen Religionsphilosoph Martin Buber beschäftigte diese Frage von Kindheit an. Seine geliebten Eltern trennten sich, als er vier Jahre alt war aus ihm unerfindlichen Gründen. Seine Mutter verließ die Familie und gründete eine neue Familie mit einem Offizier in Russland. Dieser Verlust, der ohne Abschied geschah, wurde ihm auch von den Großeltern, bei denen er fortan aufwuchs, nie erklärt. Lebenslang beschäftigte ihn jenes Trauma. Vielleicht gerade deswegen konnte er solche Geschichten überliefern wie die folgende:
Als Rabbi Joshua Meir ein kleiner Junge war, da sagte ihm jemand: «Ich gebe dir einen Gulden, wenn du mir sagst, wo Gott wohnt.»
Er antwortete: «Und ich gebe dir zwei Gulden, wenn du mir sagen kannst, wo er nicht wohnt.» (in: Erzählungen der Chassidim)Bis wir uns wiedersehen, halte der nahe und ferne Gott Sie fest in seiner Hand!
Ihre Pastorin Bettina Rehbein
Ein Lob auf das Lob
Am letzten Urlaubstag auf der niederländischen Insel Schiermonnikoog fiel es mir nochmal besonders auf: Mehrmals war ich von fremden Menschen gelobt worden! Vom pünktlichen Wäscheservice des Ferienhauses, weil wir bereits die Bettwäsche abgezogen und bereitgestellt haben. Von der Kassiererin im Supermarkt, weil ich das Geld passend hatte. Die Mitarbeiterin im Naturkundehaus wiederum kommentierte meinen Einkauf strahlend mit: „Gute Wahl!“.
Ich habe den Eindruck, dass nicht nur niederländische Höflichkeit, sondern die Lust am Loben hinter den freundlichen Reaktionen steckt. Und ich bemerke: Es tut gut! Man geht fröhlicher durch den Tag, wenn man gelobt wird. Denn nachdem ich die kleine Irritation überwunden habe, dass es keinen „richtigen“ Grund gibt, gelobt zu werden, traue ich mich zu denken: Warum eigentlich nicht loben – auch für die Dinge, die selbst- verständlich erscheinen? Gerade die unsichtbar geleistete, alltäglich wirkende Tätigkeit braucht Lob, Wertschätzung und Würdigung.
Erstaunlicherweise motiviert das „Gelobt werden“ dazu, selbst auch mal positive Rückmeldungen zu geben: „Schön angezogen bist du heute!“ oder „Toll, was du geleistet hast!“ Oder einfach: „Lecker, das Essen!“ „Danke für deine Hilfe!“ Oder schlicht: „Ich bin so froh, dass es dich gibt!“
Manchmal hilft es, wenn wir uns gegenseitig ans Loben erinnern. Aus den Psalmen lernen wir, dass unsere Seele ab und zu einen Hinweis braucht, womit sie sich beschäftigen soll, damit es ihr gut geht: „Lobe den Herrn meine Seele und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat!“, heißt es in Psalm 103, Vers 2.
Die Psalmen sind voller Lob- und Segenssprüche, die der Mensch gegenüber Gott zum Ausdruck bringt. Aus lauter Dankbarkeit für Gott, der ihn geschaffen hat und am Leben erhält, allen Widrigkeiten zum Trotz. In Psalm 103 fordert der betende Mensch sich selbst zum Loben auf und sagt seiner Seele: Übe dich täglich im Loben. Erinnere dich an all das, wofür du dankbar sein kannst. Für deine Familie oder Freundschaften, für blühenden Sträucher am Wegesrand, für das tägliche Brot, für deinen Glauben. Das Loben Gottes gründet, stärkt und stabilisiert die Beziehung zwischen uns Menschen und Gott. Gott wartet auf dein Lob. Denn loben macht beide groß: den Gelobten und die Person, die lobt! Und was für die Beziehung zu Gott gilt, ist natürlich auch auf unsere Mitmenschen übertragbar. Natürlich will ein Lob stimmig sein, nicht übertrieben und unkritisch. Ich nehme es mir jedenfalls vor, mehr zu loben und singe heute ein Loblied! Auf Gott, auf die Grünkraft der Erde, auf alles Lobenswerte, was mir heute begegnet.
Einfach mal ausprobieren!
Ihre Pastorin Bettina Rehbein
Liebe Leser*innen
Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Mk 16,6 ( L)
Der Ostermorgen beginnt für die Frauen um Jesus mit Sorgen: „Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?“- so fragen sich Maria Magdalena und Maria, die Mutter des Jakobus und Salome auf dem Weg zum Grab Jesu. Sie wollen den Leichnam ihres geliebten Jesus salben. Ihm die letzte Ehre erweisen.
„Wer wälzt uns den Stein von des Herzens Tür?“ so beginnen auch manche Tage bei uns. Da liegt soviel an. Womit soll ich anfangen, fragt sich der eine. Der Tag beginnt so still, mir fehlt mein Partner, mit dem ich durchs Leben gegangen bin – so fühlt manch eine/r.
„Wer wälzt uns den Stein von der politischen Verhärtung in unserem Land?“, so fragen viele aufgeschreckte Menschen angesichts der rechtsextremen Entwicklung einer immer größer werdenden Bedrohung unserer Demokratie. Wie kann das sein, dass die Gleichheit aller Menschen offen infrage gestellt werden kann?
„Wer wälzt uns den Stein vor des Grabes Tür?“, so fragen sich die Frauen. Doch der Stein ist bereits weggewälzt! Gott selbst hat dafür gesorgt, dass der Gekreuzigte auferweckt ist. Bei den Toten können wir ihn seitdem nicht mehr suchen. Auch nicht bei denen, die anderen den Tod wünschen oder sie für unerwünscht erklären.
„Erschreckt nicht, fürchtet euch nicht, sorgt euch nicht!“, so ruft der Bote am Eingang zur Grabeshöhle den Frauen zu. Sucht den Auferstandenen an anderen Orten. Da, wo ihr lebt. Da wo ihr seid. Da kommt er euch entgegen und bittet euch, voller Hoffnung in den neuen Tag zu gehen. Ostern entgegen.
„Wer Ostern kennt, kann nicht verzweifeln,“ dieser einprägsame Satz des Theologen Dietrich Bonhoeffers möge uns begleiten, wenn wir auf Ostern zugehen und jeden Tag suchen, wo wir Jesus von Nazareth, den Gekreuzigten und Auferstanden finden. Im Grab ist er nicht.
Es grüßt Sie herzlich Ihre Pastorin Bettina Rehbein, die sich sehr auf die Osterglocken in Neermoorpolder und weitere Begegnungen in der Gemeinde freut!